Ausgabe September / Oktober / November 2019 – Jürgen Gößl, Rothenburg o.d.T.
Es war heiß und stickig in dem Raum. Die Atmosphäre war angespannt. Denn es ging darum, einen Plan für die nächsten fünf Jahre meines Dienstes zu entwerfen. Eine Kirchengemeinde im Norden Thailands hatte uns eingeladen mit ihnen zu arbeiten. Wir sollten in einer unerreichten Region eine neue Gemeinde gründen.
Von den Leitern, die damals mit meiner Frau und mir im Raum waren, sprach es keiner aus. Erst viel später wurde thematisiert, dass uns das eigentlich niemand zutraute. Erst recht nicht als ich später einen Plan für dieses Projekt entwarf, das einen zeitlichen Rahmen von vier Jahren vorsah. Zugegeben: Von außen hätte man nicht erkennen können, ob es sich dabei um unverschämtes Gottvertrauen oder einfach nur Naivität gehandelt hat. Aber der Auftrag Gottes ist immer mehr als eine menschliche Angelegenheit.
Wieder sprach er zu ihnen und sagte: „Friede sei mit euch. Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.“ Dann hauchte er sie an und sprach: „Empfangt den Heiligen Geist.“ (Joh 20,21.22)
Jede Beauftragung in den Dienst in der Gemeinde und darüber hinaus, z.B. in die Mission, enthält diese Elemente. Sie sind geradezu eine Grundlage für das, was in der Gemeinde getan wird, egal ob es sich um die Mitarbeit in der Jungschar oder die Leitung eines Gremiums handelt.
Beschenkt mit Frieden
Die Jünger, denen Jesus am Abend seiner Auferstehung erscheint, haben dieses „Friede sei mit euch!“ beim ersten Mal (vgl. V. 19) sicher als Gruß verstanden. Es war ein ganz normaler Ausdruck, so wie wir heute „Hallo, wie geht’s?“ sagen. Aber jetzt, als Jesus diese Worte wiederholt, wird ihnen ihre tiefere Bedeutung bewusst. Er hatte von diesem Frieden ja schon gesprochen. Jetzt nach seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung kann das Wirklichkeit werden, was später der Apostel Paulus einmal so formuliert: „Da wir nun durch den Glauben von Gott für gerecht erklärt worden sind, haben wir Frieden mit Gott durch das, was Jesus, unser Herr, für uns tat.“ (Röm 5,1)
Dieses Geschenk haben wir als Grundlage für alles, was wir ab diesem Zeitpunkt tun. Denn wenn wir von Gott angenommen und gerecht vor ihm sind, dann müssen wir das, was wir tun, nicht als Rechtfertigung missbrauchen. Ich muss mit meinem Dienst niemandem et- was beweisen. Ich muss mir auch selbst nicht mehr beweisen, dass ich gut genug für Gott bin. Ganz im Gegenteil: Jetzt ist klar, Gott ist schon längst auf meiner Seite!
Mit diesem Wissen kann ich jede Aufgabe, die er mir gibt, in »Seelenruhe« annehmen. Die Aufgabe, die mir selbst vielleicht zu klein und unbedeutend scheint. Und auch die Aufgabe, dir mir andere gar nicht zutrauen. Mein Verhältnis zu Gott hängt ja nicht mehr vom Ergebnis ab. Egal was am Ende herauskommt, ich bleibe in diesem Frieden.
Das war für mich schon immer tröstlich. Denn auch bei mir ging und geht es bis heute nicht ohne Fehler und Versagen ab. Nicht alles, was ich tue, gelingt mir. Nicht jede Predigt, die ich halte, ist die beste meines Lebens. Nicht jeder Rat, den ich gebe, wird angenommen. Und weil es da bei mir eine Stimme aus der Vergangenheit gibt, die mir immer wieder einreden will: „Siehst du, Jürgen, du bist gar nicht so gut, wie du gern wärst!“, muss ich ich mir das Geschenk des Friedens immer wieder vor Augen halten.
Beschenkt mit einem Auftrag
Jedes Evangelium enthält einen Missionsbefehl. Jesus beauftragt seine Jünger. Immer! So wie er gesandt ist, so sendet er auch uns. Dabei geht es erst einmal nicht darum, etwas zu tun. Jesus wurde Mensch. Es geht um ein Sein; darum mit den Jüngern zu sein oder bei den Zöllnern und Sündern zu sein. Das hat andere Menschen aus ihnen gemacht!
Als Missionare in Thailand mit begrenzten sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten konnten wir viele Monate lang nichts Wesentliches tun. Wir konnten einfach nur da sein. Und das hat etwas mit uns und unserem Gegenüber gemacht.
Beschenkt mit dem Heiligen Geist
Jesus verspricht seinen Jüngern den Heiligen Geist, weil wir es nötig haben, dass Gott mit uns ist. Denn auch die Kraft für den Dienst kommt von ihm. Manchmal ist das nur die Kraft, schwierige Situationen auszuhalten.
Mit den ersten Stürmen der Regenzeit hatten wir eine Überschwemmung im Haus. Der Regen war so heftig und unsere Fenster so schlampig eingebaut, dass der Wind das Wasser durch die Ritzen drückte und es in allen Räumen gleichzeitig die Wände herunterlief. Wir wussten im ersten Moment gar nicht, was wir tun und wo wir dabei anfangen sollten. Mit Wischtüchern und Lappen versuchten wir unter allen Fenstern gleichzeitig die Nässe aufzufangen. Fast wären wir in Panik geraten. Man nennt das Kulturstress. Ohne Gottes Hilfe hätte ich damals längst die Koffer gepackt.
Es gab in meinem Leben und Dienst schon viele Situationen, bei denen nach menschlichem Ermessen meinen Kritiker fast Recht behalten hätten: „Jürgen, das schaffst du nicht!“ Aber bei Gott geht es zum Glück nicht nach menschlichen Maßstäben. Er schafft selbst erst die Grundlage dafür, dass ich ihm dienen kann, indem er mir seinen Frieden schenkt. Er gibt mir einen Auftrag, der zuerst darin besteht, dass ich bin. Und dann erst darin besteht, dass ich für ihn und andere et- was tue. Er gibt mir sogar die Wegweisung und Kraft dazu. Und ich weiß, dass er das nicht nur für mich tun will, sondern für jeden von uns.