Blickpunkt März / April / Mai 2025 – Alexander Pauli, Hersbruck
Es gibt Zeiten, da ist uns alles klar. Dann gibt es Zeiten, wo wir merken, dass uns vieles nur klar schien. Schließlich gibt es Zeiten, wo uns alles unklar scheint. Diese Erfahrung machen nicht nur Einzelne, sondern auch Gemeinden oder die Kirche als Ganzes. Zeit und Welt verändern sich, und auch wir tun das. Gott sei Dank! Aber Veränderungen können verunsichern und Angst machen. Oft sind wir von Gottes Wegführungen überfordert, doch im Nachhinein erkennen wir, dass er uns zu einem guten Ziel geführt hat.
Manche glauben, dass Unklarheit ein Problem der heutigen Zeit ist, und denken, dass es früher, bei den ersten Christen, mehr Eindeutigkeit gab. Doch auch die ersten Christen waren verunsichert und mussten ihren Glauben verändern, nachdem das, was vorher klar schien, am Kreuz durchkreuzt wurde.
Ich möchte diesen Weg nachzeichnen anhand des Berichtes über die Emmausjünger und bitte darum, zunächst Lk 24,13-35 zu lesen.
Diese zwei Jünger, auf dem Weg nach Emmaus, sind nicht erfüllt von Auferstehungshoffnung, obwohl Jesus bereits auferstanden war. Sie fühlen sich ihrer Hoffnungen beraubt. Das leere Grab allein erklärt nichts. Sie fühlen sich, als hätten sie Jesus ein weiteres Mal verloren – nicht nur als Lebenden, sondern auch als Toten, dessen sterbliche Überreste man ihnen genommen hat. Sie gehen also einen Weg vom Grab weg.
Dieser Weg spielt in der Erzählung eine größere Rolle, als es auf den ersten Blick scheint. Im Laufe der Jahrhunderte ist der christliche Glaube oft erstarrt. Was als Bewegung begann, wurde zur Institution, zum Bollwerk, zum Rückzugsort für Sesshafte, zu etwas, das Manifeste und Dogmen hervorbrachte. Der Glaube wurde zu etwas, das in sagbaren Wahrheiten vorlag und nur Bekenner suchte.
Der Glaube, wie er in der Bibel dargestellt wird, ist jedoch immer ein Weg. Unser Leben wird als Weg verstanden, und unsere Lebensführung als Lebenswandel. Unser Ziel ist die himmlische Heimat und Ruhe, doch bis dahin ist alles ein Wandern, mit nur kurzen Ruhepausen.
Das klingt unruhig, als ob wir Gott erst am Ende erreichen würden, aber das ist nicht der Fall! Gott ist mit uns auf dem Weg: „Du führst mich auf rechter Straße um deines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal… du bist bei mir.“ Psalm 23
Der Glaube wird uns als Weg präsentiert: Abraham, der seine Heimat verließ, Mose, der mit sei- nem Volk auszog und Jahrzehnte umherirrte. Einzug ins verheißene Land, Wegführung ins Exil und Rückführung nach Israel. Auch Jesus lebte und lehrte unterwegs. In Matthäus 8,20 sagt er: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Jesus lebte und lehrte unterwegs! Auf dem Weg bereite- te Jesus Menschen auf das Leben vor. Ihm zu fol- gen ist ein Glauben für Fortgeschrittene, oder besser gesagt, für immerwährend Fortschreitende.
Gott offenbart sich in Jesus, und er tut dies in Bewegung. Er kommt zu uns, zieht uns zu sich, geht umher und lässt uns ihm nachfolgen – zumindest bis zum Kreuz, wo er festgenagelt wird. „Halt still, störe unseren Glauben nicht. Gib uns keinen Weg vor. Stirb, damit du Ruhe gibst. Und dann legen wir dich an einen festen Ort und rollen einen schweren Stein davor!“ Damit scheint sein Weg zu Ende zu sein.
Doch der Weg des Glaubens geht überraschend weiter. Die zwei Jünger auf dem Weg nach Emmaus sind zugleich auf einem Weg des Abschieds von Jesus. Ihre Hoffnungen sind gestorben: „Wir aber hofften (Vergangenheitsform), er sei es, der Israel erlösen werde.“ Stattdessen können sie jetzt nur noch sagen, dass er ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten. Wie all die anderen Propheten von denen nur Geschichten blieben.
Und doch ist dieser Jesus unbemerkt mit ihnen auf dem Weg. Als Fremder erscheint er ihnen. Erst später erkennen sie, wie ihr Herz brannte, als er mit ihnen sprach und ihnen Neues eröffnete.
Ein wunderschönes Bild für lebendigen Glauben! Jesus geht manchmal als der noch Fremde mit uns und wir brauchen eine Weile, bis wir erkennen, dass wir den vor uns haben, den wir meinten hinter uns gelassen zu haben. Unsere Vorstellung von ihm mag gestorben sein und wir mögen sie begraben haben. Doch dann begegnet er uns neu und lebendig auf unserem Weg.
Die Auferstehung Jesu ist indes nicht nur seine, sondern auch die Auferstehung des Glaubens der Jünger. So wirklich wie er lebt, so wirklich kehrt auch ihr Glaube zurück. So neu und anders er ist, so neu und anders wird auch ihr Glaube.
An den Auferstandenen zu glauben, ist keine bloße Erinnerung an ein beinahe unglaubliches Ereignis der Geschichte. Es ist Glaube in Bewegung. Der Auferstandene ist bis heute mit uns unterwegs.
Christlicher Glaube erschöpft sich darum nicht darin im Gottesdienst zu sitzen. Dort finden wir Ruhe und schöpfen Kraft, um mit Jesus weiterzugehen. Wir können ihn nicht vollständig kennen und unsere Kenntnis zementieren. Wir können ihn nur immer weiter kennenlernen, indem wir mit ihm unterwegs sind. Unser Glaube besteht darin, heute mit ihm zu leben, ihm täglich zu begegnen, von ihm zu lernen und ein Leben lang im- mer mehr über ihn zu erfahren, weil er lebendig ist und mit uns auf dem Weg.
Bemerkenswert: Die ersten Christen wurden „Anhänger des neuen Weges“ genannt. Über Pau- lus und Silas wurde gesagt, dass sie „Diener des höchsten Gottes“ seien, die „den Weg des Heils verkündigen“. Selbst Jesus sagte nicht „Ich bin das Ziel“, sondern „Ich bin der Weg“.
Unser Glaube ist daher nicht zuerst ein Standpunkt, sondern er bewegt uns und andere, mit diesem Jesus zu gehen – weg vom Grab, auf den wandelbaren Weg des Lebens mit ihm.