Ausgabe März / April / Mai 2018 – Walter Ittner, Ansbach
„Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid durch unsern Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln der Herzen.“ (2.Kor 3,2.3)
»Für die meisten Menschen sind lebendige Christen die einzige Bibel, die noch gelesen wird«. Mit diesem Satz beschreibt Hans Peter Royer einmal die Herausforderung unseres Glaubens. Und der Apostel Paulus nennt die Korinther in unseren Versen einen Brief, der von allen Menschen gelesen wird. Wir sind ein Brief Christi. Wir geben der Bibel ein Gesicht.
Überforderung?
Bei so einer steilen Aussage »Wir sind ein Brief Christi« ist der Weg nicht weit zur Überforderung. Denken wir an die Forderung des Philosophen Friedrich Nietzsche: »Die Christen müssten mir erlöster aussehen, wenn ich an Ihren Erlöser glauben sollte«. Der Satz ist ja wahr. Wie viele Menschen werden durch ein verkrampftes, gesetzliches und freudeloses Christsein, davon abgehalten, sich näher mit unserem Erlöser auseinanderzusetzen. Und auch wir in unserer Gemeinschaftsbewegung werden allzu oft schuldig an dieser Stelle. Wir haben durch unser Leben und durch negative Erfahrungen in unseren Gemeinschaften Menschen verprellt, die dadurch immunisiert wurden gegen den christlichen Glauben.
Es hängt nicht an uns
Aber dieser Satz ist auch zutiefst falsch. Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist der Frust über »Gottes Bodenpersonal« oft nur eine Ausrede für Menschen nicht glauben zu müssen. »Die, die in die Kirche rennen, sind auch nicht besser. Sind doch alles nur Heuchler …« Und dann wird die Schuld der Christen wie eine Art Schutzschild vor sich hergetragen, um sich nicht auf den lebendigen Gott einlassen zu müssen. Man nimmt das Schlechte und Unvollkommene, das man irgendwann erlebt hat – oder von dem man auch nur gehört hat – um sich nicht dem Herrn stellen zu müssen, der ein Anspruch auf das Leben hat.
Zum anderen ist dieser Satz auch falsch, weil er den Glauben auf ein falsches Fundament gründet. »Ich würde ja vielleicht und eventuell an diesen Erlöser glauben, wenn die Christen besser, vollkommener und weniger verkrampft leben würden«. Aber es kommt nicht darauf an, dass wir ein perfekter Brief sind, sondern dass wir die Botschaft des Herrn weitergeben, der nicht enttäuscht. Und der Menschen verändert, auch wenn sie noch nicht am Ziel, noch nicht vollkommen und noch nicht alles richtig machen.
Entlastung
Darum gilt es genauer hinschauen und diese grandiose Zusage in unserem Vers zu entdecken, oder wie es ein Theologe formulierte, den »kategorischer Indikativ«. Nicht: Wir sollen es sein. Nicht: strengt euch an, damit etwas ausstrahlt von eurem Leben. Nein, schreibt Paulus: »Ihr seid!«. Und das gilt der Gemeinde in Korinth, die sich an mancher Stelle mit Streitereien, Parteiungen und gelebter Überheblichkeit ja wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Und das gilt auch uns, wo wir manchmal in den Spiegel schauen und denken: Was kann denn schon ausstrahlen von unseren oft gar nicht so beeindruckenden Glaubens- und Gemeindeleben?
Nicht das Briefpapier, sondern der Inhalt ist entscheidend
Stellen wir uns einen Brief vor, formvollendet geschrieben ohne Fehler, schön gestaltet auf edelsten Büttenpapier. Aber in ihn sind nur Floskeln und Nichtigkeiten festgehalten. Daneben einen anderen Brief, wo uns ein lieber Freund oder Freundin, mitteilt, dass wir ihm wichtig sind, dass er uns gern hat, uns schätzt und gerne mit uns zusammen ist. Vielleicht ist der geschrieben auf einer Serviette oder einem Notizzettel, oder fehlerhaft mit krakeliger Schrift. Welchen Brief würden wir lieber erhalten? Ganz klar, den Zweiten. Genauso ist es mit uns als Brief Christi. Natürlich ist es besser, wenn wir als Brief weniger Fehler, Flecken, Macken und unschöne Stellen enthalten. Aber entscheidender ist doch die Botschaft, die im Brief vermittelt wird. Und je länger ich mit Jesus lebe, desto deutlicher wird mir: Was Menschen wirklich anspricht und was wirklich ausstrahlt, ist nicht ein heiles und vollkommenes Christsein. Und zwar nicht nur, weil dies oft eine Einbildung ist. Sondern was ausstrahlt und einlädt zu Jesus, ist, wenn ein Mensch inmitten seiner Fehler und Unvollkommenheiten und all der Brüche n seinem Leben an Jesus festhält. Und er trotz Mängel und Zweifel sein Leben diesem Herrn hinhält, weil er weiß, dass er von ihm gehalten und getragen wird.
Eine Hoffnung haben
Graham Tomlin hat einmal die Frage gestellt: Was ist der wichtigste Moment für das Evangelium? Sicher nicht, wenn wir als Christen immer auf alles eine Antwort haben, selbst wenn wir nicht gefragt wurden. Für ihn ist der wichtigste Moment für das Evangelium, wenn Menschen die Frage nach unserer Hoffnung stellen. »Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist« (1. Petrus 3,15). Darum: Lebe ein Leben, das eine Frage hervorruft. Was provoziert die Frage? Wo wir lernen, mit Jesus als Herrn zu leben im Bereich, Geld, Besitz, Ehe und Umfeld. Und das braucht nicht die Perfektion oder eine vorgespielte Fehlerlosigkeit, die doch nur Fassade ist. Sondern wir haben die Hoffnung, dass Gott mit uns seine Arbeit noch nicht beendet hat. Er wirkt auch trotz unser Fehler. Er vergibt auch heute noch Schuld und kann uns gebrauchen sogar mit unseren Schwächen. Und wir haben eine Hoffnung auf die neue Welt Gottes, wo es dann heißt: »Siehe, ich mache alles neu«.
Auch mit Rechtschreibfehlern schön
Mit dieser Hoffnung lebt es sich gelassener. Solange wir Gottes Geist an unserem Leben wirken lassen, strahlen wir etwas Einladendes hinaus in unsere Welt. »Ihr seid ein Brief Christi“ in dieser Welt. Es mag sein, dass es in diesem Brief Rechtschreibfehler gibt, vielleicht ist die Grammatik nicht ganz korrekt. Und der Stil ist nicht so, dass er Preise gewinnt. Das Entscheidende aber ist das nicht, sondern ob diejenigen, die darin lesen, etwas von der Größe, der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes spüren. Und dass sie Lust bekommen, weiter zu lesen und nach dem nächsten Kapitel zu fragen.