Ausgabe April / Mai 2017 – Oliver Ahlfeld, Gnadauer Referent für Neugründung und Neubelebung

 

Sprechen lernen
Mein Freund im Hauskreis verdreht die Augen: „Ja, wie soll ich das jetzt erklären?“ Es geht um einen Begriff, der uns Christen eigentlich sehr geläufig ist. Aber er soll das Wort „Prophet“ eben nicht mit diesem Wort erklären, sondern so, dass es ein Nichtchrist verstehen könnte.

 

Wir einigen uns in der Runde schließlich auf „Ein Mensch, der eine Botschaft von Gott ausrichten soll“. Damit werden wir dem Begriff sicher nicht ganz gerecht. Aber wir lernen, anders zu denken und zu reden – die Sprache der Leute von heute.

Diese und andere spielerische Übungen haben mir und meiner früheren Gemeinde geholfen, sprachlich sensibler zu werden. Alle Gruppen und Altersstufen können das in Quizform auf diese Art „üben“. Besonders unterhaltsam und lehrreich ist es, wenn Nichtchristen dabei sind. Wir haben schnell entdeckt: Ein lockerer Sprachstil ist nicht ungeistlich, er hilft verstehen – und darf auch Spaß machen. Aber er sollte nicht nur gemeindeintern praktiziert werden. Die beste Übung für Christen, die lernen wollen, wie man „normal“ spricht, ist ihre Umwelt. Kürzlich habe ich den Leiter eines Gemeinschaftsverbandes gefragt, wie er sich seine wunderbar umgangssprachliche Frische bewahrt hat und er antwortete: „Sieben Jahre studentischen Nebenverdienstes in einem Schnellrestaurant waren die beste Übung!“

Ich bin Pietist, aber ich rede nicht so
Ich selber musste „entspanntes Sprechen“ nicht lernen, denn ich habe mich als Nichtchrist in verschiedenen Milieus bewegt. Durch Jobs auf dem Bau, in Supermarkt und Fabrik war ich mit der Sprache der gewöhnlichen Leute konfrontiert. Gleichzeitig komme ich aus einem Akademikerhaushalt und habe selber studiert. Seit ich vor über zwanzig Jahren Christ geworden bin, erleichtert mir diese Vergangenheit zu kommunizieren. Das geht durchaus auch mal schief – wenn ich als Referent mit Christen über die Neubelebung von Gemeinden spreche. Meine „lose Zunge“ kann andere auch blockieren, und wenn am Ende jemand denkt „Wenn der so redet, will ich in meiner Gemeinde lieber nichts ändern!“, dann wäre der Schuss nach hinten losgegangen und ich hätte lieber etwas frommer gesprochen…es muss ja nicht gleich „Kanaanäisch“ sein. Diese fromme Sprachverirrung findet sich nicht nur in der Gemeinschaftsbewegung. Bei vielen Gläubigen finden wir sowohl Gebetsstandards wie „Herr, wir danken dir für unser Beisammensein!“ und „Hab‘ Dank, himmlischer Vater, für…“, als auch Klassiker, wie die Aussage: „Lieber Heiland, auch heute wollen wir vom Geist berührt das Wort hören und reichlich Frucht erbitten!“. All das ist für Leute von heute schlicht unverständlich. Kein Mensch redet so. Außer wir, intern unter uns Frommen. Oder sind sie schon mal beim Bäcker neben einer Frau gestanden, die ihr Wechselgeld bekommt und zur Verkäuferin sagt „Hab‘ Dank!“, um sich anschließend von ihnen mit den Worten zu verabschieden „Das war ein schönes Beisammensein!“ …?

Aufs Maul geschaut
Mitunter ist christliche Sprache eine echte Katastrophe. Immer dann, wenn meine Zuhörer durch abgehobene oder seltsame Redeweise davon abgehalten werden, den Inhalt des Evangeliums zu entdecken und für ihr Leben anzuwenden. Erik Flügge, hat darüber ein Buch mit provozierendem Titel geschrieben: „Die Kirche verreckt an ihrer Sprache“. Flügge entlarvt nicht nur kanaanäische Ausdrücke, sondern entdeckt generell verschrobene, gefühlsduselnde Wortbilder, die sich Sonntag für Sonntag auf den Kanzeln aneinanderreihen. Sein Buch ist darum ein Appell an die Veränderung unserer Kommunikation.

Weil Luther das erkannte, hat er bei seinen Bibelübersetzungen seinerzeit den Menschen „aufs Maul geschaut und danach gedolmetscht“. Das schaue ich mir ab, am meisten aus der Bibel. Jesus pflegte eine ausgesprochen einfache Kommunikation im Alltag. Er verpackte schwierige Begriffe in Gleichnissen und Bildern. Um mit Menschen über Glaube ins Gespräch zu kommen, sind viele dieser Begriffe elementar wichtig. Aber wenn ich sie unbedacht und unerklärt anwende oder Menschen aufgrund „kanaanäischer Zunge“ blockiere, würde mich das furchtbar ärgern. Sollte jemand denken: „Wie der redet, will ich seinen Glauben lieber nicht näher kennenlernen…“, dann wäre das fatal. Es würde im schlimmsten Fall bedeuten, dass etliche Menschen Jesus ablehnen, weil mein Sprachgebrauch sie davon abschreckt. Ein verheerender kultureller sprachlicher Graben zwischen Christ und Nichtchrist wäre das Problem, nicht der eigentliche Anspruch des Evangeliums.

Aufgeschlossen leben
Zur besseren Kommunikation habe ich darum Seminare besucht und Seminare veranstaltet, wo es nur drum ging, einfach vom Glauben reden. Ich ermutige dazu, denn besonders meine eigene Wahrnehmung wird geschult. Außerdem weigere ich mich, gerade in Predigten eine komplizierte Sprache anzuwenden. Das bringt mir mitunter mitleidige Blicke und Kritik elitär denkender Mitchristen ein. Und natürlich ist es schön, wenn Rhetorik und sprachliche Ästhetik eine wissende Zielgruppe erfreuen. Aber mit Ausdrücken anzugeben oder kulturelle Mauern aufzubauen ist dem Evangelium hinderlich. Das will ich vermeiden. Dennoch gibt es keine wirklichen Rezepte gegen „Kanaanäisch“. Und zugegeben, es muss nicht jeder im Alter noch mit Jugendsprache jonglieren – das wäre weder authentisch noch natürlich. Meine Erfahrung aber ist, dass eine entspannte Ausdrucksweise am besten in einer natürlichen Umgebung wächst. Darum ist der Ton in Gemeinschaften am ehesten „normal“, die missionarisch leben. Wo viele Nichtchristen, Suchende und Neugierige ein- und ausgehen, normalisiert sich die Sprache ganz von allein. Man drückt sich verständlich aus, um verstanden zu werden. Darum appelliere ich an unsere Gemeinschaften, sich missionarisch zu öffnen. Das tut ihnen und der Welt gut.