Ausgabe Dezember 2017 / Januar / Februar 2018 – Konrad Flämig, Puschendorf
„Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden. Sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen, so verstehen sie es denn und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet.“ (M.Luther, Sendbrief vom Dolmetschen)
Martin Luther hat kein Thema ausgelassen, über das er nicht bei Tische geplaudert hat. Eifrige Studenten, Kollegen, Gäste und Freunde schrieben auf, was der Hausherr während der Mahlzeiten von sich gab. Der Zwickauer Pfarrer Konrad Cordatus notierte ab 1531 die Sprüche systematisch und veröffentlichte sie später. Heute gibt es ca. 7.000 lateinische und deutsche Redenotizen von Luther, manche davon werden ihm wohl nur zugeschrieben.
Damals wurde unter den Gelehrten im Normalfall Latein gesprochen. Luther geht mit der deutschen Sprache so überzeugend um, hat Freude an den Formulierungen, dem Witz und den pointierten Sprüchen, dass sich das Luther-Deutsch durchsetzt. Auch in theologischen Auseinandersetzungen hat er das allgemeine Deutsch ganz bewusst benutzt und es so zu einem starken Kommunikationsmittel für alle Schichten des Volkes gemacht. Luthers Sprache ist treffend, dem 16. Jahrhundert entsprechend derb und für uns klar und unverblümt. Einige Kostproben:
- Wo die Hunde bellen, ist das Dorf nicht weit.
- Was wäre Dreck, wenn er nicht stinkt.
- Ein williges Pferd soll man nicht zu viel reiten.
- Kein Irrtum ist so groß, der nicht seine Zuhörer hat.
- Weißes erkennt man besser, wenn man Schwarzes dagegen hält.
- Man braucht sieben Lügen, um eine zu bestätigen.
- Wer nirgends isst, der wird nimmer satt.
- Der Mensch ist zur Arbeit geboren, wie der Vogel zum Fliegen.
- Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf.
- Alles dauert immer nur vier Wochen, danach wird etwas Neues gesucht. Dieses Verlangen nach immer Neuem ist für das Volk die Mutter aller Irrtümer.
- Wer im zwanzigsten Jahr nicht schön, im dreißigsten Jahr nicht stark, im vierzigsten Jahr nicht klug, im fünfzigsten Jahr nicht reich ist, der darf danach nicht hoffen.
- Den Frieden kauft man nie teuer, denn er bringt dem, der ihn kauft, großen Nutzen.
- Der Wein ist stark, der König stärker, die Weiber noch stärker, aber die Wahrheit am allerstärksten.
- Die Welt ist wie ein betrunkener Bauer: Hebt man ihn auf einer Seite in den Sattel, so fällt er auf der anderen wieder herab.
- Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt ist; aber den Wald und die Stöcke ausroden und den Acker zurichten, da will niemand an.
- Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann, ist die, dass man Vertrauen zu ihm habe.
- Die menschliche Vernunft lehrt nur die Hände und die Füße, Gott aber das Herz.
- Wirf dein Anliegen auf den Herrn. Der hat einen breiten Hals und kann es wohl tragen.
- Wo zwanzig Teufel sind, da sind auch hundert Engel; wenn das nicht so wäre, dann wären wir schon längst zugrunde gegangen.
- In der Kirche soll man nichts mit größerer Sorgfalt betreiben als das heilige Evangelium, da ja die Kirche nichts Köstlicheres und Heilsameres hat.
- Wer Gott in Christus nicht findet, der findet ihn nimmermehr; er suche, wo er wolle.