Ausgabe März / April / Mai 2020 – Walter Ittner, Ansbach
Kann man Jünger machen?
Es fängt schon schwierig an unser Thema. Wenn man nämlich in die neue Lutherbibel hineinschaut, dann fällt auf, dass in der Ausgabe von 2017 überhaupt nicht mehr vom „Jünger machen“ die Rede ist. Stattdessen heißt es nun neu in Matthäus 28,19: „Darum gehet hin und lehret alle Völker…“
Die Motivation für diese Änderung mag sogar eine gute sein. Im evangelischen Magazin „Chrismon“ schreibt Christoph Kähler im Mai 2017 dazu: „Diese Änderung in der neuen Lutherbibel verärgert viele, die den Taufbefehl anders kennen. Denn der Befehl, Menschen zu Jüngern zu machen, werde nun abgeschwächt. Man traue sich nicht mehr, zu missionieren. Ein Gegner der Wendung „lehret alle Völker“ argumentierte in der Nachrichtenagentur idea so: Zwar habe schon Luther „lehret sie“ übersetzt, wie auch die lateinische Bibel Vulgata (docete). Doch im griechischen Urtext sei nicht bloß Wissensvermittlung gemeint, sondern ein verbindliches Lehr- und Lebensverhältnis zwischen Jünger und Meister. Bei der Überarbeitung der Lutherbibel sind wir nicht deshalb zum Wortlaut von 1545 zurückgekehrt, weil die Mission in Verruf geraten ist … Der Grund ist ein anderer: Wenn Menschen Schüler Jesu werden, gehören drei dazu: Eine Person predigt, eine hört, und der Geist, der dieses Lebensverhältnis schafft. Christen sind dabei seine Helfer, aber sie machen keine Jünger. Ob ihre Predigt ankommt, darüber entscheidet der Heilige Geist. Das wird wohl auch Luther so gesehen haben.“
Dennoch ist es seltsam, dass nun die Lutherübersetzung eine von zwei wenigen Übersetzungen ist, die auf das „machen“ verzichtet und fast alle anderen, von der Elberfelder Übersetzung selbst bis hin zur Guten Nachricht Bibel, dabei bleiben. Ob das Martin Luther auch so gesehen hätte? Ich bezweifle es.
Natürlich haben die Übersetzer der Lutherbibel und der Autor des Zitates aus dem ChrismonKommentar bei einer Sache recht: Andere Menschen zu Jüngern Jesu zu machen, steht nicht in unserer menschlichen Machbarkeit. Es funktioniert nicht, dass wir etwa nur die richtigen Tricks anwenden müssen, damit die Leute sich zu Jesus wenden. Aber diese geistliche Wahrheit kann uns ebenso zu einer falschen Scheu und Faulheit verführen. „Die Menschen unserer Zeit glauben ja sowieso nicht“. Also bleiben wir in unserer frommen Ecke und tun nicht, was Gott von uns will. Wir können zwar keine Jünger „machen“ aus unserer Kraft, aber wir können unseren Teil dazu beitragen – und dem „Jünger werden“ der anderen auch gewaltig im Wege stehen.
Zum „Glauben kommen“ ist geistliche Totenauferweckung
iegfried Kettling hat es einmal in einem sehr schönen Bild gebracht, indem er das zum Glauben kommen eines Menschen mit der Totenauferweckung des Lazarus verglichen hat. Ein Mensch ohne Gott, so schreibt er, ist geistlich tot. Da ist nichts Lebendiges mehr. Aber dann ruft Jesus ihn heraus aus dem Grab. Und er kann aufstehen aus dem Grab, weil Gott sich in seinem Geist an sein Wort gebunden hat, das lebendig macht. Darum ist es wichtig, dass wir auch heute seine Zeugen bleiben. So gilt es, dass wir bewusst Anknüpfungspunkte suchen für sein Wort bei den Menschen unserer Zeit, die mit einem persönlichen Gott, der real in ihr Leben hineinkommen möchte, oft nur noch wenig anfangen können. Mehr dazu im Artikel von Rainer Wagner in diesem Heft.
Keine Jüngerschaft ohne Begegnung
Zum „Jünger machen“ gehört aber auch genauso die Begegnung dazu. Wir können die „gute Botschaft“ nicht einfach beim andern abliefern und uns dann „vom Acker machen“, wie es sprichwörtlich heißt. Sondern die Menschen werden sich meist nur dann aufs Wort Gottes einlassen, wenn sie merken, dass wir an ihnen und ihrem Leben interessiert sind. „Ich kümmere mich nicht für das, was du mir sagst, wenn ich nicht merke, dass du dich um mich kümmerst“, hat es mal jemand treffend auf den Punkt gebracht. Mehr dazu im Artikel: „Viele Wege – Jünger zu machen“ von Alexander Pauli in diesem Heft.
Gehorsam ist wichtiger als Erfolg
Dazu gehört ebenfalls, die Chancen zu nutzen, die wir haben. Paulus beschreibt in 1. Korinther 9 wie er sich, aber nicht das Evangelium, anpasst: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette“ (1. Kor. 9,22b). Selbst wenn wir alles tun, was in unserer Macht steht, selbst wenn wir möglichst vielen das Evangelium weitergeben in einer guten Weise, werden nicht alle es annehmen. Vielleicht nur einige, wenige, etliche. Aber unser Auftrag ist nicht, erfolgreich zu sein, sondern treu zu sein. Indem wir das tun, wozu Gott uns auffordert, ändern, was wir ändern können, tun, was wir tun können und dann am Ende Jesus das Ergebnis überlassen.
Das „Jünger machen“ fängt mit dem Gebet an
Darum bleibt am Ende über allem das Gebet. Dass Gott selbst Menschenherzen anrührt, erreicht und überwältigt durch sein Wort, manchmal durch uns – aber vielleicht viel öfter trotz uns. Weil wir es eben nicht von uns aus machen können, müssen wir Gott in den Ohren liegen, damit er handelt und wirkt. Wenn wir das tun, werden wir vielleicht neu das Staunen lernen über das, was unser Herr auch heute noch bewirken will.