Blickpunkt Dezember 2024 / Januar /Februar 2024 – Philipp Mauer, Naila und Stadtmission Bayreuth
Biblische Besinnung über Lukas 10,25-37
Er tritt aus der Gruppe, ergreift das Wort, fragt, was ihm auf der Seele brennt: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen, um Leben in Fülle zu haben, Leben mit Ewigkeitswert? Viele Menschen zu allen Zeiten hatten die gleiche Frage: Was kann ich tun, um gut zu leben, um Gott zu gefallen? Gibt es ein Rezept, einen Plan, eine Strategie? Es herrscht Leid, Krieg, Terror, Missbrauch und Gewalt. Sie sehnen sich nach Frieden, nach Sicherheit, nach göttlichem Schalom. Ein Leben in einer zerbrechlichen und oft genug zerbrochenen Welt: Gesundheit, Beziehungen, Erfolg und vieles mehr, was wichtig scheint, können so schnell gehen, wie sie gekommen sind. Wir fragen uns: Wie kann Leben gelingen? Was steht denn in der Bibel?, fragt Jesus. Das macht er oft, keine Antwort geben, kein Patentrezept liefern, sondern eine Frage stellen. Was wäre deine Antwort? Was liest du in der Bibel? Das wusste er. Die Bibel, das Gesetz, das hatte er studiert. Da kannte er sich aus: Gott lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit dem ganzen Verstand. Und nicht zu vergessen: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Das ist alles … das ist die Zusammenfassung von Gottes Idee für unser Leben. Du hast richtig geantwortet. So einfach ist die Antwort auf die große Frage … kurze Pause. Blickkontakt – durchatmen! Tu das und du wirst leben! Wie bitte? Was soll ich tun? Lieben? Meinen Nächsten? Plötzlich wird ihm eng ums Herz. Wissen ist das eine – Tun das andere. Ein letzter Versuch, eine Hintertür zu finden: Wer ist das denn – mein Nächster?
Dieses Mal ist die Antwort keine Frage, sondern eine Geschichte. Eine Geschichte, die es in sich hat. Eine Geschichte, die die Welt auf den Kopf stellt! Die Menschen verärgert und erschüttert. Die diejenigen, die sich für klug und weise hielten, wie Narren dastehen lässt und denen, die an sich selbst verzweifelten, neue Hoffnung gibt. Wie er das getan hat, indem er seine Zuhörer zu einem Perspektivwechsel gebracht hat – mit einer kleinen Geschichte über vier Männer, die eigentlich nichts miteinander zu tun hatten. Einer Geschichte über Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Er hat ihren Blick verändert, ihnen die Augen geöffnet, sie zum Hinsehen gebracht, indem er ihre Welt auf den Kopf gestellt hat. Da ist einer, der in Not ist, ausgeraubt, verprügelt, liegen gelassen – mehr tot als lebendig. Da sind die anderen:
Diejenigen, die ihm helfen könnten, es aber nicht tun – aus guten Gründen natürlich. Es würde sie etwas kosten. Sie würden nicht nur Zeit, sondern auch ihre wohl gepflegte Reinheit verlieren. Einen Verletzten berühren, das geht nicht, wenn man im Tempel dienen will! Schnell weiter, nicht zu genau hinschauen! Nicht berühren, sich nicht vom Leid berühren lassen! Lieber rein bleiben, lieber die Heiligkeit pflegen! Nur nicht ablenken lassen! Zweimal ging das so. Danach kam einer, den es jammerte, der berührt wurde und der berührt hat. Einer, von dem es keiner gedacht hat. Einer, mit dem keiner gerechnet hat. Einer, der die Idee Gottes viel besser verstanden hat als die Frommen. Skandalös, was Jesus hier macht. Eine Unverschämtheit! Was fällt dem ein!
Eine letzte Frage fällt dem jetzt doch noch ein: Wer ist dem, der in Not war, zum Nächsten geworden? Eine Frage, die unsere Perspektive ändert. Nicht: Wer ist mein Nächster, sondern: Wer ist dem, der leidet, zum Nächsten geworden? Das verändert den Blickwinkel. Nicht mein Blick auf das Leid, sondern der Blick des Leidenden auf mich verändert mein Denken und Handeln, berührt mich und lässt mich zum Berührenden werden. Diese Perspektive lässt mich zum Nächsten für den anderen werden. Geh und mach es genauso! Lass dich berühren vom Leben, Leiden und Scheitern der anderen! Bleib nicht in deiner frommen Blase, in der klar ist, wer richtig und wer falsch ist, wer gut und wer böse ist! Rechne mit Gott im Anderen! Habe Mut hinzuschauen und lass dich von Gott ansehen! Dann können wir miteinander eine neue Art des Umgangs finden – einen Perspektivwechsel erleben. Dann können wir uns von Gott überraschen lassen, von dem, was er in unserem Leben wachsen lässt, wie unser Leben gelingen kann, wie wir miteinander Leben mit Ewigkeitsperspektive erleben können. Hinsehen, sich berühren lassen, zum Nächsten werden! Geh, und mach es genauso!