Ausgabe Dezember 2021 / Januar / Februar 2022 – Daniel Haack, Bezirk Feuchtwangen
Wer gehört eigentlich dazu und wer nicht? Und wie geht man mit denen um, die „draußen“ sind und wie mit denen, die „drinnen“ sind? Das sind Fragen, die sich Christen schon seit 2000 Jahren stellen. Zusammen unterwegs, Trennungen, Bekenntnisse? Was glaubst du eigentlich? Und wie, und warum?
Paulus schreibt hierzu in Epheser 4:
„So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ (Eph. 4, 1-6)
Paulus – darf der das überhaupt so schreiben?
Ist das nicht der Paulus, der sich mit Petrus öffentlich auf dem Apostelkonzil anlegt? (Gal. 2,11-21)
Ist das nicht der Paulus, der sich von seinem treuen Begleiter Barnabas trennt im Streit über einen anderen Mitarbeiter (Apg. 15, 36-41)?
Wie kommt nun dieser Paulus dazu, etwas über Einheit zu schreiben? Es lohnt sich etwas genauer hinzuschauen.
-> Getrennt zusammen!
Paulus schreibt also, dass wir Einheit wahren sollen und gleichzeitig trennt er sich und streitet sich offen. Passt das zusammen?
Welche Einheit ist denn hier gemeint und welche vielleicht auch nicht?
Paulus schreibt von e i n e m Leib, e i n e m Geist, e i n e r Berufung, e i n e r Hoffnung, e i n e m Herrn, e i n e m Glauben, e i n e r Taufe und e i n e m Gott und Vater.
Alles Dinge, die nicht von uns kommen. Alles Dinge, die Gott in diese Welt und in unser christliches Leben bringt. Um diese Einheit sollen wir ringen, sie wahren und sie leben. Das können wir in einer Gemeinde und auch in verschiedenen. Für Paulus ist es, davon bin ich überzeugt, kein Widerspruch, die Einheit zu predigen und sich gleichzeitig zu trennen, denn er würde sagen, dass er mit Petrus und Barnabas EINS ist in Christus, durch all die Dinge, die er hier nennt.
-> Jüngerschaft heißt Eins sein!
Jüngerschaft und Nachfolge zeigen sich ebenso im Leben miteinander. Haben wir das Gefühl, eine Einheit zu bilden? Wie gehen wir mit den Leuten in unseren Gemeinschaften und darüber hinaus um, die anders glauben, andere Meinungen haben, andere Vorstellungen?
Wenn Paulus davon schreibt, dass wir die Einigkeit im Geist wahren sollen, dann heißt das für mich, den anderen Menschen als meine Schwester, meinen Bruder nicht nur wahrzunehmen und zu akzeptieren, sondern wert zu schätzen. Die andere Person ist genauso Teil des christlichen Leibes, eben nicht, weil ich oder sie es wo will, sondern weil Gott es schenkt. Durch die Taufe sind wir Teil voneinander.
-> In der Taufe leben
Die Taufe ist ein sichtbares Symbol für unsere große Gemeinde. Da werden wir in eine Gemeinschaft ge-Tauft. Was genau dort passiert, bleibt ein Geheimnis, denn Gott ist es, der in und durch die Taufe wirkt. Die Meinungen, was nun wie Teil der Taufe sein muss und wann diese geschehen sollte, gehen auseinander. Doch ich bin sehr froh, dass die Grabenkämpfe darüber vorbei sind und wir nun in aller Differenz die Taufe als gemeinsames Zeichen haben, leben und lieben. Denn es kommt nicht auf uns an, sondern auf Gott in uns.
-> In Streit einen
Jetzt ist es aber doch so, dass Christen unterschiedlicher Meinung sein können, auch bei uns in den Gemeinschaften. Es ist ebenfalls so, dass wir mit Meinungen konfrontiert werden, die falsch sind. In schmerzlichen Fällen kann es sogar vorkommen, dass man getrennte Wege gehen muss, damit es weitergeht. Aber das heißt nicht, dass wir nicht mehr EINS sind, weil wir uns beide noch in Jesus bewegen.
Ein guter Weg, um miteinander zu streiten und zu diskutieren, ist für mich ein Eingeständnis. Ja, wir werden mit falschen Meinungen konfrontiert und erleben Glauben, der nicht richtig ist. Jedoch selbst bei mir ist das so. Auch ich habe Positionen, die nicht stimmen, auch ich glaube Dinge falsch (wobei hier noch die Frage spannend wäre, was denn richtig ist) und ich mache in meiner Nachfolge genügend Fehler. Wenn ich mir das also eingestehe, dann werde ich automatisch barmherziger gegenüber den anderen.
Dann muss ich immer noch streiten und immer noch meine Position vertreten, aber aus einer Haltung der Demut heraus und dann kann ich den anderen oftmals stehen lassen und seinen Glauben lassen – auch wenn es vielleicht nicht in meinem direkten Umfeld sein muss.
-> Freiheit und Liebe
Ich bin froh, dass Paulus nicht schreibt:
E i n e Theologie, e i n e Vorstellung, e i n e Dogmatik und e i n Bekenntnis!
Das sind wichtige Dinge, die aber letztendlich hinter den wirklich wichtigen Dingen zurückstehen müssen. Die wirklich wichtigen Dinge kommen von Gott!
Der evangelische Theologe und Pädagoge Johann Amos Comenius aus dem 17. Jhdt. schreibt es folgendermaßen:
„Das höchste Gesetz dieser Einigkeit ist dreifach:
Die Einigkeit in allem Notwendigen zu halten;
in allem Gleichgültigen, die Freiheit;
in Allem aber und gegen Alle die Liebe.“